Warum Informel? Malen zwischen Zufall und Kontrolle

In der Mitte der 1940er Jahre begaben sich Künstler auf die Suche nach einer neuen Form der Abstraktion. Von Paris ausgehend entwickelte sich als Gegenbewegung zur geometrischen Abstraktion in ganz Europa und als Antwort auf den amerikanischen abstrakten Expressionismus ein Kunststil, in dessen Zentrum der freie, spontane Schaffensprozess stand.

 

Bald erhielt dieser Stil, der vielmehr eine Haltung gegenüber dem Malprozess darstellt, den Namen Informel, der so viel wie formlos bedeutet. "Statt Motive realistisch wiederzugeben, stellen die Künstler Farbe, Leinwand und Materialität in den Vordergrund. Diese physische Aktion, die spontane Gesten und ihre Spuren im Bild sind vergleichbar mit einem Jazzmusiker, der improvisiert." charakterisiert das Handelsblatt 2010 diesen Stil und seine zeitgleich entstandenen Spielarten wie die Lyrische Abstraktion, den Tachismus und die Art Brut.

  

1951 führt der Kunstkritiker Michel Tapié den Begriff "art informel" anlässlich einer Ausstellung im Pariser Studio Facchetti erstmals ein und versucht damit, verschiedene abstrakte Strömungen der Nachkriegskunst wie Tachismus und Lyrische Abstraktion zusammenzufassen. Im Gegensatz zu anderen kunsthistorischen Begriffen benennt das Informel keinen einheitlichen Stil, sondern eine künstlerische Haltung, die sich anders als die geometrische Abstraktion gegen klassische Form- und Kompositionsprinzipien wendet. Durch die Befreiung der Farbe aus den Fesseln einer vorgegebenen Form und durch die Öffnung des Bildes für spontane, gestisch eruptive Aktionen überwindet es den traditionellen Bildbegriff. Der Künstler komponiert nicht mehr auf ein vorher geplantes Ergebnis hin. Stattdessen lässt er dynamische Prozesse anschaulich werden: Er fixiert den Malakt selbst im Moment höchster Konzentration als Bewegungsspur im Bild oder aber thematisiert Farbe als Material, um sie dabei aus allen form- und gegenstandsgebundenen Bezügen freizusetzen.

 

Quelle: Hans-Jürgen Schwalm, Stiftung Informelle Kunst